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Geschmacksschule im La Vie

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Das La Vie – seit langem lockt mich das 2-Sterne-Restaurant von Thomas Bühner in Osnabrück, nur zum Essen fehlte immer Anlass und Gelegenheit. Nun habe ich am Wochenende zumindest einmal die Gelegenheit genutzt, einen Kochkurs, der hier “Geschmacksschule” heißt, zu besuchen. Eingebettet in meine aktuellen Renovierungsarbeiten, schaffe ich es gerade, mir die Farbreste von den Händen zu kratzen, um um 14 Uhr pünktlich in Osnabrück zu sein. Die Anfahrt zum Restaurant geht durch die Fußgängerzone, an diesem Samstag ist zusätzlich noch Weihnachtsmarktaufbau, so dass es eine Weile dauert, bis ich am Ziel bin.

La Vie

Vom Restaurant und der Restaurantküche (“der andere Kochkurs” nennt Bühner sie später) bekommen wir nicht viel zu sehen, im Obergeschoss liegt die Küche, die unseren Kochkurs beherbergt. Neben eine kleine Bar und ein großer Esstisch. Zum Start gibt es ein Glas Champagner, der die 6 TeilnehmerInnen entspannt, danach kann es dann in der gut vorbereiteten Küche losgehen.
Mis en place muss kaum gemacht werden, für alle Rezepte sind die Zutaten schon hingestellt oder vorbereitet. Wo es aus didaktischen Gründen sinnvoll ist, legen wir später selber Hand an.

Die Schulküche

Thomas Bühner selbst führt uns durch den Nachmittag, mit der Unterstützung durch einen weiteren Koch und den Auftritt des Patisseurs (“früher war der der Dümmste in der Küche, Pfirsich Melba kann ja jeder. Heute ist das ein anspruchsvoller Job.”) fühlen wir uns gut versorgt.

Zunächst bereiten wir die Basis für eine Rote-Bete Gazpacho zu. Rote Bete ist schon gegart (im Salzbett im Backofen) und wird püriert, ebenso wie Gurke, Knoblauch und die weiteren Zutaten. Das wäre normal schon gut so, verrät uns der zweite Koch, aber wir sind ja im La Vie also wird noch einmal passiert, damit die Suppe feiner wird. Jeder drückt einmal die dunkelrote Masse durchs Spitzsieb, dann kommt die in den Kühlschrank zum Durchziehen.

Rote-Bete-Passage

Schnell ein paar Stücke Suppengemüse zur Brunoise zerwürfelt. Wir bekommen es vorgemacht. Prinzipiell ist das ja einfach, kleinste Würfelchen schneiden. Die Geschwindigkeit des Profis ist beeindruckend. Bei uns dauert es etwas länger, aber das Ergebnis ist auch für Thomas Bühner nach einigen Korrekturen zufriedenstellend. Die Würfelchen werden angedünstet (“Brunoise nie blanchieren, da geht der ganze Geschmack ins Wasser”) und mit Olivenpaste und Rosmarin vermischt. Wir brauchen das Gemüse später für den Lammstrudel.

Gemüse-Brunoise

Nun kommt der Patisseur zum Zuge. Für das Dessert soll es ein Parfait geben, schnell sind Eier und Zucker gemischt, dazu kommt heiße Sahne, die mit Tahiti-Vanille angereichert ist. Das Gemisch wird im Wasserbad auf 85° erhitzt, der viele Zucker verhindert ein Gerinnen des Eigelbs. Dann weißen Rum dazu und ab damit in die Terrinenform und in den Tiefkühler. Das Parfait friert in den 2,5 Stunden durch und bleibt trotzdem cremig.

Jetzt zum Fischgang. Makrele sollte es werden, der Händler liefert Pferdemakrele, eine ganz andere Art. Thomas Bühler ist nicht amüsiert, nimmt die Ware jedoch entgegen, um das Menü wie geplant umsetzen zu können. Er erklärt uns ausführlich, wie der frische Fisch zu erkennen ist – klare Augen, frischer Geruch und intakte, dunkelrote Kiemen. Die letzteren sind die feingliedrigsten Teile am Fisch und zersetzen sich daher zuerst. So kann man schnell sehen, wie es um die Frische bestellt ist. “Der Fisch stinkt vom Kopf” ist also nicht nur eine Redensart, erklärt Bühner. Je nach Art gibt es unterschiedliche “Grenzwerte” für die einzelnen Kriterien, so dass letztendlich der Gesamteindruck und vor allem Erfahrung dazu gehören, den Fisch korrekt zu bewerten.

Pferdemakrele

Der Fisch will filetiert werden. Bühner zeigt uns, wie man das Messer hinter den vorderen Flossen nach vorne ansetzt, dann wendet und an der Gräte entlang schneidet. Eigentlich ganz einfach, wenn man weiß wie es geht. Wir dürfen selber Hand anlegen und von den abgelösten Filets noch die Bauchlappen abschneiden und die feinen Gräten entfernen. Leider hat die Pferdemakrele am hineren Ende einen Grätenansatz direkt unter der Haut, so muss die auch runter. Die stellt sich aber ziemlich an, so dass der Meister persönlich ran muss, um größeres Gemetzel zu verhindern. Bald liegen 6 Filets ordentlich bereit. Die lagern nun noch einmal im Kühlschrank zwischen.

Gebackene Gemüsezwiebeln

Die Makrele soll in einen Zwiebelsud, der muss nun auch hergestellt werden. Ganz einfach geht das, zwei Gemüsezwiebeln und eine rote Zwiebel, die mit Schale im Ofen gegart werden, kommen zusammen mit einer weiteren gerösteten Zwiebel ins Wasser und sieden dort vor sich hin. Da das einige Zeit dauert, lassen wir unsere Zubereitung sieden und nutzen später schon einen vorbereiteten Sud. Eine einfache Möglichkeit, schnell an einen Fond zu kommen. Insgesamt sind die Rezepte des Kurses so gestaltet, dass wir sie zuhause mit den beschränkten Mitteln der Privatküche ohne Stress nachmachen können.

Strudel in Arbeit

Jetzt ist der Lammstrudel dran. Fertigen Strudelteig nutzen wir (Bühner nennt bosfood als Bezugsquelle. In seinem “anderen Kochkurs” macht er den Teig frisch, aber das würde den Rahmen des Kurses sprengen), der wird mit Butter eingestrichen und Mie de Pain kommt ordentlich darauf, damit der Strudel ein bisschen aufgeht später. Einmal gefaltet, nochmals gebuttert und bestreuselt, dann kommt je ein Stück Lammrücken darauf, belegt mit den Gemüse-Brunoise. Einwickeln, mit Butter bepinseln, fertig. Der Strudel kommt bei 100 Grad in den Ofen und wird später noch in der Pfanne gebräunt.

Gerollte Makrele

Wir rollen nun die Makrelenfilets paarweise in gebutterte Alufolie und drehen diese fest zu drei Rollen zusammen. Sie werden später in mäßig heißem Wasser für ein paar Minuten pochiert.

Aber zunächst gibt es gutes Brot und Butter zur Stärkung vorab und dann kommt die Montage des ersten Gangs. Die Rote-Bete-Gazpacho kommt in Teller, darauf je ein Stück geräucherter Safran-Aal (“den kaufe ich als eines von wenigen Produkten fertig, den kann ich selber nicht besser machen”, erklärt Bühner). Ein wenig Brunnenkresse, geriebene Pistazie und ein wenig Forellenkaviar machen aus der roten kalten Suppe “großes Kino”, wie ein Teilnehmer meint.

Rote-Bete-Gazpacho

Die Suppe wird gleich verzehrt, das Rote-Bete-Aroma passt wunderbar zu dieser kalten Suppe mit dem Aal, auch im Winter eine gute Kombination.

Schon geht es weiter. Der Fisch wird wie beschrieben blanchiert, dazu braten ein paar Poreescheiben kurz an. Sie sind voher im Vakuum gegart, ich kann keinen Unterschied zu den heimsch gedünsteten Scheiben feststellen. Aber das gehört wohl heutzutage zum guten Ton in der haute cuisine. Wir geben den Porree in vorgeheizte Suppenteller, die Makrele wird mit Folie in Scheiben geschnitten und dann erst entpackt. So bleiben die Rollen in Form. Bei richtiger Makrele ergibt sich ein schönes Muster auf den Rollen, wie uns Bühner auf einem Foto zeigt. Mit unserer Pferdemakrele ist das nicht so, aber das können wir verschmerzen.

Makrele im Zwiebelsud

Wir gießen noch den Zwiebelsud an, und schon steht der zweite Gang auf dem Tisch. Ganz ruhig und entspannt ist Bühner und wir fragen uns, ob wir auch so entspannt wären, wenn wir dieses “einfache” Menü zuhause nachkochen würden. Der Fisch ist ganz zart, gar nicht so fettig-makrelig wie man das von der Räuchervariante kennt und passt mit dem Zwiebelsud gut zusammen. Wir essen die Suppe gleich in der Küche, weil das Programm gleich weiter geht.

Der Lammstrudel ist fällig, kommt wie gesagt nochmal in die Pfanne zum Bräunen. Dazu gibt es Süßkartoffelwürfel mit Ingwer, die in ordentlich Butter weich aber noch in Form geschmort werden. Auch dieser Gang ist schnell angerichtet. Der Strudel wird in Scheiben geschnitten und mit dem Gemüse zusammen angerichtet. Das Lamm ist ganz zart und sehr aromatisch. Bühner merkt an, dass es für einen rosa Kern ein wenig zu lange im Ofen war, das tut dem Genuss aber keinen Abbruch.

Lammstrudel mit Süßkartoffeln

Langsam zeigen Wein und bisheriger Genuss ihre Wirkung, wir lassen es nun etwas geruhsamer angehen, die Stimmung ist gelöst, wir freuen uns schon aufs Dessert. Zum Parfait (“Ist es wirklich durchgefroren in der kurzen Zeit? Oder hat da einer heimlich was getauscht?” fragen wir uns) gibt es Rumtopf und frittierte Quarkbällchen. Bühner erklärt uns, wie er den Rumtopf übers Jahr produziert – Früchte mit Rum und Zucker ansetzen und immer wieder Früchte, Rum und Zucker zugeben, sobald die nächsten Früchte Saison haben. Im Herbst ist dann die Mischung komplett.

Der Meister in Aktion

Die Quarkbällchen sind schnell zusammengerührt und Bühner gibt sie löffelweise in einen Topf mit heißem Butterschmalz. Das Thermometer liegt hier immer neben dem Herd parat, wir hatten es auch schon bei der Parfaitmasse und beim Fischsud im Einsatz. “Zuhause machen Sie das aber bitte in der Friteuse. Wir geraten hier nicht gleich in Panik, wenn mal ein Topf brennt, aber bei Ihnen ist das vielleicht anders”, weist uns Bühner auf die Tücken der Dessertproduktion hin.

Das werdende Dessert

Jetzt schnell zur Schlussmontage. Ein wenig Rumtopf mit einem Stück Parfait, dazu eine ordentliche Portion Quarkbällchen – die perfekte Kombination zum Abschluss. Wir legen alte Vorurteile gegen Rumtopf ab, er schmeckt sehr gut, fruchtig und nicht übertrieben nach Rum. Zusammen mit dem sehr gut passenden Dessertwein erreichen die Autofahrer unter uns nun leider die Grenze, daher gibt es leider keinen Nachschlag.

Zu guter Letzt

Es ist vollbracht! Die drei Stunden sind wie im Flug vergangen, beim abschließenden Espresso lassen wir noch einmal das Erlebte Revue passieren. Auch oder gerade weil wir nicht die komplette Zubereitung übernommen haben, ist es für uns genau die richtige Kombination von Selbermachen und Erklärung gewesen. Niemand hat sich überfordert oder gelangweilt gefühlt, und nach dem Genuss der vier Gänge sind wir alle rundum zufrieden. Die ruhige und Kompetente Art von Thomas Bühner hat dazu genauso beigetragen wie das Wirken der Unterstützer im Hintergrund, auch der Service war die ganze Zeit über ausgezeichnet. Insgesamt also ein rundum positives Fazit für diesen nicht ganz billigen Kochkurs, der Lust auf Fortsetzung macht – ich verlasse das La Vie mit dem festen Vorsatz, nun auch einmal dort essen zu gehen, ich bin noch neugieriger geworden, wie sich die Kochkunst von Thomas Bühner durch den “anderen Kochkurs” präsentiert.

Liebe kochessenz-Leser, vielleicht bekommen wir ja einmal einen Gruppentermin hin? Meldet Euch, wenn Ihr Interesse habt!


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